Bonuszahlung/Schadenersatz wegen verspäteter Zielvorgabe - Urteil des LAG Köln vom 06.02.2024 – 4 Sa 390/23

Das LAG Köln hat entschieden, dass für den Fall einer derart verspäteten Bekanntgabe der Zielvorgabe innerhalb des maßgeblichen Geschäftsjahres die Anreizfunktion derselben entfällt, da diese Zielvorgabe nicht mehr sinnvoll erfüllt werden kann. Rechtsfolge ist dann, dass sie so zu behandeln ist, als sei sie überhaupt nicht erfolgt.

 

Ein derart später Zeitpunkt ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn das Geschäftsjahr bereits zu mehr als 3/4 abgelaufen ist.

 

Zum Sachverhalt:

 

Der Kläger war bei der Beklagten an einem von mehreren Standorten tätig. Er war Mitarbeiter mit Führungsverantwortung.

 

Der Arbeitsvertrag sah ein Jahreszielgehalt von 95.000,00 € bei 100% Zielerreichung vor. Die Vergütung setzte sich aus einem Bruttofixgehalt in Höhe von 66.500,00 € und einer variablen Vergütung von 28.500,00 € bei 100% Zielerreichung zusammen.

 

Die Zielvorgabe sollte zunächst zeitnah nach Antritt der Beschäftigung und im Folgen zu Beginn eines jeden Kalenderjahres von dem Arbeitgeber definiert werden.

 

Im Verlauf des Beschäftigungsverhältnisses wurde eine Betriebsvereinbarung über das Vergütungsmodell abgeschlossen, wonach der jeweilige Arbeitnehmer bis zum 01.03. des Kalenderjahres eine zuvor mit ihm zu besprechende Zielvorgabe erhalten hat.

 

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zahlte der Arbeitgeber an den Kläger lediglich eine variable Vergütung zur Höhe von 15.586,00 €.

 

Der Kläger war der Ansicht, die Vorgabe der Unternehmensziele für das maßgebliche Jahr sei verspätet, formell unwirksam und ermessensfehlerhaft erfolgt. Ihm stünden für das betreffende Jahr noch 16.035,00 € zu.

 

Weiter führte der Kläger aus, dass die Beklagte mindestens aus betrieblicher Übung in Verbindung mit der Betriebsvereinbarung verpflichtet gewesen sei, den Mitarbeitern die Ziele ordnungsgemäß auszuhändigen.

Die Beklagte hingegen meint, dass die Zielvorgaben zeitgerecht bekanntgegeben worden seien, dies Ende März des betreffenden Jahres, spätestens im April des maßgeblichen Geschäftsjahres.

 

Das Arbeitsgericht hat die Klage zunächst mit der Begründung abgewiesen, dass noch im Herbst des maßgeblichen Jahres die Zielvorgabe durch den Arbeitgeber festgelegt worden wäre.

 

Zu diesem Zeitpunkt sei die Zielvorgabe auch noch zu erreichen gewesen.

 

Das Landesarbeitsgericht Köln hat die Entscheidung abgeändert und der Klage stattgegeben.

 

Das LAG Köln führt aus, dass der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz in der begehrten Höhe wegen nicht rechtzeitig erfolgter Zielvorgabe für das entsprechende Jahr gem. § 280 Abs. 1, Abs. 3, §§ 283, 252 BGB i.V.m. § 4 des Arbeitsvertrages (wg. Unmöglichkeit der Erreichung der Zielvorgabe) hat.

 

Nach Ansicht des LAG Köln war die Beklagte verpflichtet, dem Kläger bis zum März des jeweiligen Jahres eine mit ihm zuvor besprechende Zielvorgabe zu machen.

 

Ungeachtet der nicht erfolgten vorherigen Besprechung hatte die Beklagte eine zeitnahe Zielvorgabe generell nicht getroffen.

 

Die vorgetragene spätere Bekanntgabe der Zielvorgabe sei keine ordnungsgemäße im Sinne der Betriebsvereinbarung (bis zum 01.03. des Jahres) gewesen. Im Übrigen waren diese inhaltlich nicht ausreichend.

 

Danach kann nach Ansicht des LAG Köln gem. § 280 Abs. 3 BGB Schadenersatz statt der Leistung verlangt werden, weil eine einseitige Zielvorgabe durch Zeitablauf unmöglich gewesen ist.

 

Das BAG (Bundesarbeitsgericht) geht in gefestigter Rechtsprechung nach Ansicht des LAG Köln davon aus, dass eine Zielvereinbarung spätestens nach Ablauf der Zeit für die ein Arbeitgeber mit allen Arbeitnehmern Ziele zu vereinbaren hat, nicht mehr möglich ist.

 

Offen gelassen hat das BAG allerdings bis dato, was dann gilt, wenn der Arbeitgeber zu einer (einseitigen) Zielvorgabe verpflichtet ist, diese aber nicht innerhalb der Zielperiode erfolgt und ob dies einen Schadenersatzanspruch statt des Erfüllungsanspruchs begründe, der bereits vor Ablauf der Zielperiode eintreten kann, also bei Abschluss einer Zielvereinbarung erst gegen Ende der Zielperiode oder zu einem Zeitpunkt, zu dem der Zweck der Leistungssteigerung und Motivation aus anderen Gründen nicht mehr erreicht werden kann.

 

Nach Auffassung des LAG Köln ist eine in der Zielperiode pflichtwidrig und schuldhaft unterbliebene Zielvorgabe in gleicher Weise zu Lasten des Arbeitgebers schadensersatzauslösend, wie eine pflichtwidrig und schuldhafte abgeschlossene Zielvereinbarung.

 

Erfolgt daher eine Zielvorgabe erst zu einem derart späten Zeitpunkt, innerhalb des maßgeblichen Geschäftsjahres, dass sie ihre Anreizfunktion nicht mehr sinnvoll erfüllen kann, ist sie demnach zu behandeln, als überhaupt nicht erfolgt.

 

Ein derart schlechter Zeitpunkt ist nach Ansicht des LAG Köln dann anzunehmen, wenn das Geschäftsjahr bereits zu mehr als 3/4 abgelaufen ist.

 

Demnach konnte der Kläger im Rahmen des Schadenersatzes die vollumfängliche Bonuszahlung von der Beklagten beanspruchen, da der Schadenersatzanspruch gem. § 280 Abs. 1 BGB so weit geht, dass der Arbeitnehmer als Kläger so zu behandeln ist, als habe er die Zielvorgabe vollständig erreicht.

 

 

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das Bundesarbeitsgericht hat die Revision zugelassen.