Grundeigentum zu jagdrechtlich befriedetem Bezirk erklären lassen? - Möglich nur aus ethischen Gründen!

Verwaltungsgericht Koblenz, Urteil vom 19.04.2021 - 1K 251/20.KO

 

Im Grundsatz hat jeder, der Eigentümer eines ländlich gelegenen Grundstücks ist, im Rahmen einer jagdgenossenschaftlichen Zwangsmitgliedschaft die Bejagung auf seinem Grundstück zu erdulden.

 

Dies gilt nur dann nicht, wenn es sich ohnehin um ein jagdrechtlich befriedetes Grundstück handelt, etwa einen Friedhof oder weil es der Nutzung zu Wohnzwecken dient.

 

Die jagdliche Befriedung eines Grundstückes kann aber auch dann von Seiten seines Eigentümers verlangt werden, wenn er die Jagd aus ethischer Überzeugung ablehnt und diese Beweggründe glaubhaft machen.

 

Das Bundesjagdgesetz (BJagdG) normiert die Möglichkeit der Befriedung seit einer Gesetzesänderung infolge der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte im Jahr 2013.

 

Gemäß dem neu eingefügten § 6a Abs. 1 S. 1 BJagdG sind Grundflächen, die zu einem gemeinschaftlichen Jagdbezirk gehören und im Eigentum einer natürlichen Person stehen, auf Antrag des Grundeigentümers zu befriedeten Bezirken zu erklären (Befriedung).

 

Voraussetzung ist, dass der Grundeigentümer glaubhaft macht, dass er die Jagdausübung aus ethischen Gründen ablehnt.

 

Zu Gunsten einer solchen Befriedung entschied in diesem Jahr auch das VG Koblenz in seinem Urteil vom 19.04.2021, AZ. 1 K 251/20.KO.

 

Geklagt hatten im dortigen Verfahren Eheleute, die Mit- bzw. Alleineigentümer verschiedener in einem Jagdbezirk gelegener Grundstücke waren und nach eigenen Angaben seit 20 Jahren aktiven Natur- und Artenschutz lebten.

 

Sie, so die Kläger, lehnten das Töten von Tieren aus ethischen Gründen ab und könnten einzig die jagdrechtliche Befriedung ihrer Grundstücke mit ihrem Gewissen vereinbaren.

 

Die Überzeugung, dass dies der Wirklichkeit entsprach, gewann das erkennende Gericht gemäß § 108 Abs. 1 VwGO aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens.

 

Aber was bedurfte es dazu?

 

Denn in der obergerichtlichen Rechtsprechung ist es umstritten, wann im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 BJagdG ethische Gründe glaubhaft gemacht sind.

 

Der Bayrischen Verwaltungsgerichtshofes vertritt die Auffassung, die Vorschrift sei vor dem Hintergrund europarechtlicher Vorschriften angesichts der grundsätzlichen Zulässigkeit einer ethischen Jagdgegnerschaft dahingehend auszulegen, dass lediglich gefordert werde, dass ein Antragsteller die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 S. 3 BJagdG darlege und darüber hinaus nur sonstige Anhaltspunkte dafür ausräumen müsse, dass seine Haltung nur oberflächlich, widersprüchlich oder trivial sei; eine Gewissensprüfung ist danach nicht erforderlich.

 

Einen strengeren Maßstab befürwortet das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, welches das Vorliegen ethischer Gründe in diesem Sinne nur dann anerkennt, wenn der Grundstückseigentümer aufgrund einer in sich geschlossenen, individuellen Überzeugung die Jagd an sich ablehne und diese Ablehnung innerlich als für sich unbedingt verpflichtend empfinde, so dass er die weitere Jagdausübung auf seinem Grundstück nicht ohne ernste Gewissensnot hinnehmen könne.

 

Glaubhaft gemacht seien solche Gründe dann, wenn die überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen der vorgebrachten Gründe spreche, wohingegen es einer richterlichen Überzeugung im Sinne einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit nicht erfordere.

 

Um eine Gewissensentscheidung in diesem Sinne handele es sich aber dann nicht, wenn die Jagd nur aus politischen Erwägungen über ihre Sinnhaftigkeit abgelehnt werde.

 

Im durch das VG Koblenz entschiedenen Sachverhalt waren die Voraussetzungen auch bei Anlegung des vorgenannten strengeren Maßstabes erfüllt.

 

Das Gericht kam zu dem Schluss, dass sich der Wunsch der Kläger nach jagdrechtlicher Befriedung als auf der Grundlage von Sittlichkeit getroffene Entscheidung darstelle, die mit der Vorstellung der Kläger von der Gestaltung ihres Alltags und ihrer glaubhaft geäußerten Naturverbundenheit in Einklang stehe. Die Ablehnung der Jagd durch die Kläger sei mithin als Ausdruck ihrer Persönlichkeit und Gewissensentscheidung zu qualifizieren.

 

Ethische Gründe in diesem Sinne liegen jedoch nach § 6a Abs. 1 S. 3 BJagdG insbesondere in den Fällen nicht vor, in denen der Antragsteller erstens selbst die Jagd ausübt oder die Ausübung der Jagd durch Dritte auf einem ihm gehörenden Grundstück duldet oder zweitens zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung einen Jagdschein gelöst oder beantragt hat.

 

Zudem – das stellte das VG Koblenz in seinem Urteil klar – dürfen keine Versagungsgründe gemäß § 6a Abs. 1 S. 2 BJagdG vorliegen.

 

Nach dem Gesetz ist eine Befriedung namentlich insoweit zu versagen, als Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass ein Ruhen der Jagd auf der vom Antrag umfassten Fläche bezogen auf den gesamten jeweiligen Jagdbezirk die Belange

 

Ø  der Erhaltung eines artenreichen und gesunden Wildbestandes sowie der Pflege und Sicherung seiner Lebensgrundlagen (Nr.1),

 

Ø  des Schutzes der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft vor übermäßigen Wildschäden (Nr.2),

 

Ø  des Naturschutzes und der Landschaftspflege (Nr.3),

 

Ø  des Schutzes vor Tierseuchen (Nr.4) oder

 

Ø  der Abwendung sonstiger Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet (Nr.5).

 

Das VG Koblenz betonte, dass es wichtig sei, im Rahmen der Befriedungsentscheidung das Interesse der Kläger an einer Befriedung bzw. der daraus folgenden Jagdruhe mit den Belangen des allgemeinen Wohls sowie den geschützten Interessen Dritter abzuwägen.

 

Die Befriedung führt, so das VG zutreffend, zu einer Durchbrechung des jagdlichen Systems, die eventuell weitreichende Folgen für die vorgenannten Belange haben kann.

 

Mit Rücksicht darauf, dass Wild nicht an Grundstücksgrenzen Halt macht, sondern seinen artspezifischen Bedürfnissen bezüglich Verhalten und Lebensraum folgt, sieht das Bundesjagdgesetz vom Grundsatz her die flächendeckende Bejagung aller Grundflächen vor.

 

Vor allem die Ziele der Erhaltung eines artenreichen und gesunden Wildbestandes sowie der Vermeidung von übermäßigen Wildschäden sind hierbei zu berücksichtigen.

 

Dies gilt nach Ansicht des Gerichts ebenso für die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege wie auch für den Schutz vor Tierseuchen (Stichwort: ASP) und die Anforderungen an die Abwendung sonstiger Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung.

 

Eine Durchbrechung des Systems zugunsten rein privater Interessen ist also nur dann gerechtfertigt, wenn eine Befriedung mit diesen Belangen vereinbar ist.

 

Im Rahmen der Abwägung fehle es dabei an der Vereinbarkeit mit den geschützten Gemeinwohlbelangen, wenn diese im Einzelfall einer durch Tatsachen belegten konkreten Gefährdung ausgesetzt seien.

 

Schließlich gelte es, den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten.

 

Gemessen an diesen Maßstäben wird eine jagdrechtliche Befriedung also immer eine Einzelfallentscheidung im Wechselspiel zwischen ethischer Überzeugung, tatsächlichen Umweltgegebenheiten und juristischen Feinheiten erfordern - zu Recht!

 

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