Vorgetäuschte Eigenbedarfskündigung? Dann Schadensersatz trotz Räumungsurteils!

Urteil des LG Bonn v. 01.10.2020, Az.: 6 S 9/20

Täuscht ein Vermieter Eigenbedarf an einer Wohnung nur vor, um dem Mieter zu kündigen, macht er sich diesem gegenüber auch dann schadensersatzpflichtig, wenn ein Gericht zuvor rechtskräftig festgestellt hat, dass der Mieter die Wohnung räumen muss.

Grundsätzlich hat der Vermieter ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses, wenn der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt. Hat der Vermieter einen solchen sogenannten Eigenbedarf aber in Wirklichkeit gar nicht, sondern täuscht diesen nur vor, so hat er seinem Mieter den aus dieser Täuschung resultierenden Schaden auf der Grundlage des § 280 Abs. 1 BGB zu ersetzen.

Diese Schadensersatzpflicht ist auch nicht etwa deshalb ausgeschlossen, weil zu einem früheren Zeitpunkt bereits gerichtlich - nämlich im Rahmen des Prozesses, in dem der Vermieter die Eigenbedarfskündigung geltend macht, um den Mieter 'aus der Wohnung zu bekommen', dem Räumungsprozess - entschieden wurde, dass der Mieter die Wohnung verlassen muss.

Trifft das erkennende Gericht diese Entscheidung nur deshalb, weil es bei der Beurteilung der Eigenbedarfssituation eine Prognose hinsichtlich der Plausibilität von Absichtserklärungen des Vermieters anstellt und dessen Ausführungen folgt, und stellt sich nach Beendigung des Räumungsprozesses heraus, dass der Vermieter über den Eigenbedarf getäuscht hat, gelten in diesem Fall die früheren Feststellungen zum angeblichen Vorliegen des Eigenbedarfs nicht zum Nachteil des Mieters.

Dies entschied in jüngerer Vergangenheit etwa das Landgericht Bonn. Vor diesem erstritt im Jahr 2019 eine Mieterin einen Zahlungstitel gegen ihren vormaligen Vermieter wegen mietvertraglicher Nebenpflichtverletzung. Der Vermieter hatte der nunmehr klagenden Mieterin unter Berufung auf einen angeblichen Eigenbedarf gekündigt und die sie zur Räumung und Herausgabe der Wohnung verklagt. Er obsiegte in dem Rechtsstreit und die Mieterin musste die Wohnung verlassen. Das sie verurteilende Räumungsurteil erwuchs in Rechtskraft, wurde also endgültig unangreifbar, weil keine der Parteien es binnen der Rechtsmittelfrist anfocht. Erst nachträglich, nämlich als die Person, für die der Eigenbedarf erklärt worden war, tatsächlich nicht in die Wohnung einzog, flog der Schwindel auf. Hierauf nahm die verärgerte Mieterin ihren vormaligen Vermieter auf Schadensersatz in Anspruch.

Nun könnte man meinen, ein Rechtsstreit gegen den Vermieter habe keine Erfolgsaussicht, - sei durch den Räumungsprozesses doch 'ein für alle mal' geklärt , dass Eigenbedarf bestanden habe. Weit gefehlt, entschied das Landgericht, und begründete seine Entscheidung folgendermaßen:

Wird ein angekündigte Eigenbedarf tatsächlich nicht umgesetzt, trifft den Vermieter eine sekundäre Darlegungslast zum nachträglichen Wegfall des Bedarfs, d.h. der Vermieter muss in dem gegen ihn geführten Schadensersatzprozess unter Anlegung strenger Maßstäbe substantiiert und nachvollziehbar darlegen, aus welchem Grund der mit der Kündigung vorgebrachte Bedarf nachträglich entfallen ist. Gelingt ihm dies nicht, wird das Gericht ihn zur Zahlung verurteilen. Insbesondere können erst nachträglich entstandene Umstände dem Schadensersatzanspruch nicht entgegenstehen.

Auch liegen die Voraussetzungen des § 322 Abs. 1 ZPO nicht vor. Die Rechtskraft des Urteils, so das Landgericht, beschränke sich auf die Rechtsfolgen. Nicht von der Rechtskraft umfasst werden demgegenüber die der Entscheidung lediglich zugrundeliegenden Rechtsverhältnisse, ebenso wenig wie dies für sonstige Vorfragen gelte.

Das Landgericht betonte mit seiner Entscheidung mithin im Falle der bloß vorgetäuschten Eigenbedarfskündigung die Stärke der Position der Mieter, ohne dabei die im Zivilrecht "heilige Kuh" der Rechtskraft in unzulässiger Weise zu tangieren.

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