Keine verschuldensunabhängige Haftung eines E-Scooter-Fahrers

 

Urteil des LG Münster vom 09.03.2020, Az.: 08 O 272/19

Klein, wendig, praktisch -- E-Scooter gewinnen zunehmend an Beliebtheit und gehören nach ihrer Zulassung im Jahr 2019 mittlerweile zum täglichen Straßen- und Verkehrsbild in deutschen Städten.

Wer 14 Jahre oder älter ist, darf den Tretroller mit Elektroantrieb ohne Führerschein oder Helm auf Radwegen, Radfahrstreifen und Fahrradstraßen bewegen, wenn das Fahrzeug über eine Betriebserlaubnis und der Halter über eine entsprechende Versicherung verfügt.

Leider kam es in der Vergangenheit bereits vermehrt zu Unfällen unter E-Scooter-Beteiligung, sodass sich dem rechtsbewussten Verkehrsteilnehmer die Frage aufdrängt: wie haften E-Scooter-Fahrer, -Halter und -Versicherer?

Mit dieser Frage beschäftigte sich auch das LG Münster, nachdem die Halterin eines Fahrzeuges Opel Meriva im Klageweg den Fahrer eines E-Scooters auf Schadensersatz in Anspruch nahm.

Ihr Pkw war bei einer Kollision mit dem Scooter beschädigt worden, obwohl der Fahrer desselben eine Verkehrspflicht nicht verletzt hatte.

 

Das Gericht hatte folglich zu entscheiden, ob ein E-Scooter-Fahrer sich -- wie bei der Haftung nach dem StVG üblich -- die Betriebsgefahr seines Scooters haftungsbegründend anlasten lassen muss, oder ob er nur für den Ersatz derjenigen Schäden einzustehen hat, welche er tatsächlich verschuldet hat.

Mitverklagt war zudem der Haftpflichtversicherer des Halters des E-Scooters, sodass die Voraussetzungen einer verschuldensunabhängigen Gefährdungsaftung nach dem StVG in Verbindung mit dem Versicherungsvertragsgesetz entsprechend zu klären waren.

 

Das LG urteilte wie folgt:

Bei einem E-Scooter handelt es sich um ein Elektrokleinstfahrzeug nach der Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung, kurz eKFV. Nach deren in § 1 definierten Anwendungsbereich handelt es sich also um ein Kraftfahrzeug mit elektrischem Antrieb, welches über eine bauartbedingte Geschwindigkeit von nicht weniger als 6 km/h und nicht mehr als 20 km/h verfügt.

Eine Haftung nach dem StVG kommt daher nicht in Betracht!

Zwar haftet grundsätzlich unter bestimmten Voraussetzungen gemäß § 7 StVG verschuldensanabhängig der Fahrzeughalter und nach § 18 Abs. 1 StVG der Fahrzeugführer wie auch über § 115 Abs. 1 VVG der Versicherer für beim Betrieb des Fahrzeuges verursachte Schäden.

Jedoch steht § 8 Nr. 1 StVG der Anwendung dieser Normen sämtlich entgegen. Die verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung des Halters bzw. des Versicherers und über einen weiteren Verweis auch die Haftung des Fahrers ist nach dieser Norm ausgeschlossen,

"wenn der Unfall durch ein Kraftfahrzeug verursacht wurde, das auf ebener Bahn mit keiner höheren Geschwindigkeit als 20 Kilometer in der Stunde fahren kann".

So liegt der Fall hier.

Mit seiner zulässigen Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 20 km/h erfüllt der E-Scooter den vom Gesetzgeber geschaffenen Ausnahmetatbestand. Damit haftet der Halter, der im Schadensfalle eigentlich bereits dafür zur Verantwortung gezogen wird, dass er ein bestimmtes Fahrzeug mit betriebsbedingten Gefahren in den Verkehr gebracht hat, nicht mehr verschuldensunabhängig für die Betriebsgefahr seines Fahrzeuges, etwa im Falle einer zufälligen Kollision, sondern, so führte das Gericht aus, nur noch nach den Regeln des BGB und dies einzig für sein fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten. Entsprechendes gilt für den Fahrzeugführer.

Im obigen Fall handelte zur Überzeugung des Gerichts der E-Scooter-Fahrer nicht einmal sorgfaltspflichtwidrig. Deshalb kam nicht nur keine spezielle Haftung nach dem Verkehrsrecht, sondern überdies auch keine deliktische Haftung nach dem BGB in Betracht. Auch der Versicherer war mangels Halterhaftung nicht ersatzpflichtig.

Die Opel-Halterin bleibt also auf ihrem Schaden sitzen.

Ungerecht? - in Anbetracht der Tatsachen, dass ein E-Scooter im Vergleich zu einem Auto über viel weniger Masse, Geschwindigkeit und Gefährlichkeit verfügt und der Scooter-Fahrer im vorliegenden Fall überhaupt nichts falsch gemacht hat, nicht ungerecht, sondern konsequent!

 

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