Verkehrsrecht – Verweisung auf eine freie Werkstatt (Zeitpunkt der Zumutbarkeit)

AG Hannover, Urteil vom 12.10.2018 – 410 C 8289/17

 

Zum Sachverhalt:

 

Der Kläger verlangt nach einem nicht verschuldeten Unfall von der gegnerischen Haftpflichtversicherung die Erstattung fiktiver Reparaturkosten nach den Stundenverrechnungssätzen einer markengebundenen Werkstatt. Die Haftpflichtversicherung lehnte ab und trug vor, dass sich der Kläger auf die Stundenverrechnungssätze einer freien Werkstatt verweisen lassen müsse und erstattete die fiktiven Reparaturkosten auch nur in der entsprechenden Höhe. Der Kläger hatte das Unfallfahrzeug vor dem schädigenden Ereignis ausschließlich in einer Vertragswerkstatt warten lassen. Nach dem Schadenereignis hingegen ließ er im Laufe der außergerichtlichen Auseinandersetzung eine Inspektion des Unfallfahrzeuges in einer freien Werkstatt durchführen. Die gegnerische Haftpflichtversicherung hielt daher daran fest, dass die Verweisung auf eine freie Markenwerkstatt zumutbar sei. Das Amtsgericht Hannover folgte dem nicht und sprach die fiktiven Reparaturkosten auch in der Höhe der Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Werkstatt zu.

 

Zur Begründung:

 

Das Amtsgericht stellt fest, dass gem. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB auch bei der fiktiven Abrechnung die Kosten zu erstatten seien, die zur Beseitigung des Schadens erforderlich sind. Der Geschädigte darf danach die sachverständig geschätzten und ortsüblichen Reparaturkosten einer markengebundenen Werkstatt zugrunde legen. Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht gem. § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB liegt nur dann vor, wenn der Schädiger bzw. die hinter dem Schädiger stehende Haftpflichtversicherung den Geschädigten zur Reparatur auf eine günstigerer freie Werkstatt verweist und diese auch zumutbar ist.

 

Das Gericht führte weiter aus, dass eine Verweisung auf eine freie Werkstatt nur dann unzumutbar ist, wenn der Wagen nicht älter als drei Jahre und damit neuwertig sei oder stets in einer markengebundenen Werkstatt gewartet und repariert wurde.

 

 Das Gericht führte weiter aus, dass sich auch daran nichts ändere, wenn der Geschädigte nach dem Unfall sein Fahrzeug zur Inspektion in eine freie Werkstatt gegeben hatte. Als Herr des Restitutionsgeschehens könne der Geschädigte mit seinem beschädigten Fahrzeug verfahren, wie er wolle. Er könne das Fahrzeug auch vollkommen unrepariert lassen. Mit diesem unschädlichen Vorgehen sei die im Anschluss an das Schadenereignis allein aufgrund der Unfalleigenschaft des Fahrzeuges erfolgte Wartung in einer freien Werkstatt vergleichbar. Aus diesem Grund können sich für den Geschädigten daraus auch keine Nachteile ergeben.

 

Auch die Rechtsprechung des BGH dahingehend, dass eine Verweisung seitens der gegnerischen Haftpflichtversicherung oder des Schädigers noch in der mündlichen Verhandlung möglich sei, spreche dafür, dass tatsächlich erfolgte Reparaturen oder Wartungen keinen Einfluss auf die fiktive Abrechnung haben. Der BGH begründet diese Rechtsprechung damit, dass sich der Geschädigte bei der fiktiven Abrechnung mit dem objektiv zur Herstellung erforderlichen Betrag ohne Bezug zur tatsächlichen Aufwendung zufrieden ergäbe. Die fiktive Abrechnung des Schadens sei daher losgelöst von den tatsächlichen Reparaturmaßnahmen nach dem Unfall. Aus diesem Grunde seien daher auch Wartungen nach dem Unfall für die Frage der Zumutbarkeit eines Werkstattverweises unbeachtlich.

 

Manuel Schoppe

Rechtsanwalt

Nesbit I Böggemeyer I Schoppe

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