Arbeitsrecht - Urlaubsabgeltung bei einem Beschäftigungsangebot gem. § 4 MuschG

Urlaubsabgeltung bei einem Beschäftigungsverbot gem. § 4 Mutterschutzgesetz (MSchG)

 

BAG, Urteil vom 09.08.2016 – 9 ARZ 575/15

 

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass ein tätigkeitsbezogenes generelles Beschäftigungsverbot gem. § 4 MuSchG zum Beibehalten des Anspruches auf Urlaub bzw. Urlaubsabgeltung auch dann führt, wenn der Urlaubszeitraum bereits vor Eintritt des Beschäftigungsverbotes festgelegt war und der Arbeitgeber der Arbeitnehmerin keine zumutbare Ersatztätigkeit zugewiesen hat. Das Risiko der Leistungsstörung durch ein in den festgelegten Urlaubszeitraum fallendes Beschäftigungsverbot trägt dann der Arbeitgeber.

 

Zum Sachverhalt:

 

Die Parteien streiten über Urlaubsabgeltung von 17 Tagen aus dem Jahr 2013. Anfang des Jahres teilte die Klägerin der Klägerin ihre gewünschten Urlaubszeiträume für das Jahr 2013 mit, die die Beklagte sodann auch bestätigte. Am 02.06.2013 informierte die Klägerin die Beklagte unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung über ihre Schwangerschaft; voraussichtlicher Entbindungstermin war der 29.12.2013. Unter Anrechnung der bereits bewilligten Urlaubstage sprach die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 05.06.2013 auf Grundlage von § 4 MuSchArbV i. V. m. § 4 MuSchG ein Beschäftigungsverbot mit Wirkung ab dem 05.06.2013 aus. Eine Ersatztätigkeit wurde der Klägerin nicht zugewiesen. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses begehrte die Klägerin sodann Urlaubsabgeltung gem. § 7 Abs. 4 BUrlG von 17 Tagen im Zeitraum des Beschäftigungsverbotes. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben, das BAG bestätigt das Urteil der Vorinstanz.

 

Dazu führt das Bundesarbeitsgericht aus, dass die Beklagte nach § 7 Abs. 4 BUrlG verpflichtet sei, 17 Urlaubstage aus dem Jahr 2013 abzugelten, da der Urlaubsanspruch nicht mit der Urlaubsgewährung des Arbeitgebers durch Erfüllung untergegangen. Eine solche Gewährung des Urlaubes kann das Erlöschen des Urlaubsanspruches nur bewirken, wenn für den entsprechenden Zeitraum einer Arbeitspflicht des Arbeitnehmers besteht. Dies war im vorliegenden Fall nicht gegeben. Für die Klägerin bestand in Folge des mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbotes gem. § 4 Abs. 1, Abs. 4 S. 1 MuSchG i. V. m. § 4 Abs. 1 S. 1 Mutterschutzarbeitsgesetzverordnung während des zunächst bewilligten Urlaubszeitraumes keine Arbeitspflicht. Dieses Beschäftigungsverbot tritt kraft Gesetzes ein und mangels Zuweisung einer Ersatztätigkeit war die Klägerin weder vertraglich verpflichtet noch tatsächlich in der Lage, andere, nicht vom mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbot erfassten Tätigkeiten auszuüben. Auch unerheblich war der Sachvortrag dahingehend, dass sich die Arbeitnehmerin trotz des tätigkeitsbezogenen generellen Beschäftigungsverbotes hätte erholen können.

 

Auch sei der Urlaubsanspruch der Klägerin nicht durch nachträgliche Unmöglichkeit gem. § 275 Abs. 1 BGB untergegangen, da diese den Urlaub nicht mehr nehmen könne. Dieser Rechtsansicht steht § 17 Abs. 2 MuSchG entgegen. Diese Vorschrift regelt das für das Fristenregime des § 7 Abs. 3 BUrlG maßgebliche Urlaubsjahr und die Unvereinbarkeit von Urlaub und einer (vollständigen) Arbeitsbefreiung in Folge mutterschutzrechtlicher Beschäftigungsverbote mit der weiteren Folge, dass das Risiko der Leistungsstörung ein in den zuvor festgelegten Urlaubszeitraum fallendes Beschäftigungsverbot dem Arbeitgeber zugewiesen werde. Könne die Arbeitnehmerin nach dem Wortlaut des § 17 S. 2 MuSchG den vor den Beschäftigungsverboten nicht erhaltenen Urlaub danach ungekürzt in Anspruch nehmen, folgt daraus die gesetzgeberische Wertung, dass Urlaub während der mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbote nicht erlöschen kann.

 

Mit dieser Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht nunmehr die streitige Frage klargestellt, ob ein Arbeitgeber der Arbeitnehmerin, die von einem mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbot betroffen ist, für die Zeit des Beschäftigungsverbotes Erholungsurlaub mit entsprechender Erfüllungswirkung gewähren kann. Dies ist nunmehr mit der Ansicht des Senates zu verneinen. Dies gilt auch dann, wenn der Urlaub bereits vor Eintritt des Beschäftigungsverbotes feststand. § 17 S. 2 MuschG enthält eine den Rechtswirkung des § 9 BUrlG entsprechende Ausnahme von den Rechtsfolgen des § 275 Abs. 1 BGB, sodass Urlaub während der mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbote nicht mit befreiender Wirkung gewährt werden kann.

 

 

Manuel Schoppe

Rechtsanwalt

Nesbit I Böggemeyer I Schoppe

 

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