Arbeitsrecht - keine Schlechterstellung bzgl. Vergütungsanspruch von teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern – hier Rettungsassistent im Anerkennungsjahr –

Keine Schlechterstellung bzgl. Vergütungsanspruch von teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern – hier Rettungsassistent im Anerkennungsjahr –

 

BAG, Urt. v. 18.03.2014 – 9 AZR 740/13

 

Das Bundesarbeitsgericht hat jüngst entschieden, dass einem „Praktikanten“ der sich als Rettungsassistent im Anerkennungsjahr beworben hat, im Arbeitsvertrag jedoch ausdrücklich und mehrfach als Arbeitnehmer bezeichnet wurde, gemäß § 4 Abs. 1 S. 2 TzBfG ein Anspruch auf Vergütung in Höhe eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers hat.

 

Zum Sachverhalt:

 

Der Kläger leistete zunächst von April 2009 bis Dezember 2009 Zivildienst bei der Beklagten. Daran schloss sich bis Dezember 2010 die theoretische Ausbildung zum Rettungsassistenten an. Ende 2010 bestand der Kläger zunächst die Prüfung zum Rettungssanitäter und später die staatliche Prüfung zum Rettungsassistenten.

 

Mit Schreiben vom 19.10.2010 bewarb sich der Kläger bei der Beklagten für ein "Jahrespraktikum als Rettungsassistent im Anerkennungsjahr".

 

Am 17.12.2010 schloss der Kläger mit der Beklagten für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2011 einen mit "Arbeitsvertrag für geringfügig Beschäftigte" überschriebenen "Aushilfsarbeitsvertrag". In diesem heißt es unter anderem, dass er als Rettungsdienstmitarbeiter eingestellt werde, die wöchentliche Arbeitszeit 20 h betrage und er ein monatliches Festgeld in Höhe von 400,00 € brutto erhalte. Als sachlicher Grund für die Befristung wurde ein „vorübergehender erhöhter Arbeitskräftebedarf“ angegeben. In der Vertragsurkunde, die wiederholt vom "Arbeitsverhältnis" spricht, wird der Kläger durchweg als "Arbeitnehmer" bezeichnet, die Beklagte hingegen als "Arbeitgeberin".

 

In der Folgezeit arbeitete der Kläger jedoch weitaus mehr als die in dem Arbeitsvertrag angegebenen 20 h wöchentlich. Ihr Jahr 2011 arbeitete der Kläger zwischen 149 und 193 h pro Monat.

 

Der Kläger begehrt nunmehr von der Beklagten die Vergütung für die tatsächlich gearbeiteten Stunden abzüglich der bereits erhaltenen arbeitsvertraglichen Vergütung. Als Maßstab für den Vergütungsanspruch wurde die Grundvergütung in Ansatz gebracht, die ein Mitarbeiter bei der Beklagten im Rahmen einer Vollzeittätigkeit verdient.

 

Die Vorinstanzen haben die Klage teilweise abgewiesen.

 

Das Bundesarbeitsgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben. Dazu hat es ausgeführt, dass der Kläger ein Anspruch auf Vergütung in Höhe eines vergleichbaren vollzeittätigen Arbeitnehmer hat. Aus § 4 Abs. 1 S. 1 TzBfG ergibt sich, dass eine Schlechterstellung bezüglich der Vergütungsansprüche eines teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmers in Bezug auf einen vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer nur aus sachlichen Gründen, die die Beklagte nicht dargetan hat, erfolgen darf und die Entgeltabrede in dem vorliegenden Arbeitsvertrag vom 17.12.2010 gemäß § 134 BGB in Verbindung mit § 4 Abs. 1 S. ZfG nichtig ist.

 

Dem Entgeltanspruch des Klägers stehe nicht entgegen, dass der Kläger sich mit Schreiben vom 19.10.2010 bei der Beklagten für ein "Praktikum als Rettungsassistent im Anerkennungsjahr" war. Maßgeblich sei, dass die Parteien am 17.12.2010 einen Arbeitsvertrag abgeschlossen und darin unter anderem eine wöchentliche Arbeitszeit von 20 h vereinbarten. Damit war der Kläger teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer im Sinne des 4 Abs. 1 S. Z TzBfG. Insofern die Parteien ausdrücklich ein Arbeitsverhältnis vereinbart haben, so ist es auch regelmäßig als solches einzuordnen.

 

Auch eine sachliche Begründung gemäß § 4 TzBfG, die eine Schlechterstellung des Arbeitnehmers rechtfertigen kann, liege nicht vor, da die Beklagte ausschließlich vorgetragen hat, dass der Kläger als Praktikant eingesetzt worden ist. Dies trifft jedoch nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht zu.

 

Insgesamt sei festzuhalten, dass das Bundesarbeitsgericht hier die Parteivereinbarung – also die Bezeichnung als Arbeitnehmer und Arbeitgeber bzw. Arbeitsvertrag – als maßgeblich dafür angesehen hat, dass zwischen den Parteien ein tatsächliches Arbeitsverhältnis, und nicht wie die Beklagte meint, ein Praktikantenverhältnis, vereinbart wurde und somit ein Anspruch auf Vergütung in Höhe eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers besteht.

 

 

Manuel Schoppe

Rechtsanwalt

 

Nesbit I Böggemeyer I Schoppe

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Quelle: BAG, Urt. v. 18.03.2014 – 9 AZR 740/13